Lehrstuhl für Bioprozesstechnik

    Im Fokus der Forschung des Lehrstuhls für Bioprozesstechnik ist die Entwicklung und Optimierung von Verfahren zur Produktion biologischer Wirkstoffe, insbesondere von Impfstoffen und rekombinanten Proteinen, die als Medikamente eingesetzt werden sollen. Desweiteren werden Methoden zur kosteneffizienten und skalierbaren Synthese von Nukleotidzuckern und wertvollen Oligosacchariden entwickelt, die in der Lebensmittel- und Pharmaindustrie sehr gefragt sind. Schließlich spielt die Analyse mikrobieller Gemeinschaften eine große Rolle. Mit Hilfe der Metaproteomanalyse wird die Zusammensetzung mikrobieller Gemeinschaften aus Biogasanlagen und Kläranlagen auf struktureller und funktioneller Ebene erfasst. Die gewonnenen Informationen werden genutzt, um die Interaktionen innerhalb dieser Gemeinschaften besser zu verstehen und die Ausbeute sowie die Produktivität der Prozesse erhöhen. Darüber hinaus wird geprüft, inwieweit Änderungen des Metaproteoms zur Früherkennung von Prozessstörungen von Anlagen genutzt werden können. Neben der Etablierung leistungsfähiger Methoden für die Proteinextraktion aus Reaktor- oder Umweltproben und der Bestimmung und Analyse der extrahierten Proteine mittels hochauflösender Massenspektrometrie, wird am Lehrstuhl im Rahmen des deutschen Netzwerkes Bioinformatik de.NBI der MetaProteomAnalyzer, eine spezifische Software für die Metaproteomanalyse, als Service für Wissenschaftler bereitgestellt und kontinuierlich weiterentwickelt.

     

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     Abb. 1: Arbeitsablauf zur Metaproteomanalyse von Biogasanlagen.

     

    Beim Blick auf die betrachteten biotechnologischen Verfahren steht immer die ganzheitliche und systemorientierten Betrachtung der biologischen Grundlagen und die Dynamik der jeweiligen Mikro- und Makroprozesse im Vordergrund. Neben Fragen der Verfahrensgestaltung und Prozessführung sowie der mathematischen Modellierung wesentlicher Aspekte der untersuchten Prozesse, liegt das Augenmerk auf der anlagentechnischen Realisierung und der detaillierten Charakterisierung von Beispielprozessen im Labormaßstab. Beispielsweise wurden stöchiometrischer Netzwerkmodelle von Biogasprozessen mit Metaproteomdaten aus Laborbiogasreaktoren validiert.

    Daneben spielt die detaillierte Aufklärung der Dynamik von zellulären Vorgängen eine große Rolle. So ist zum Verständnis der Virusvermehrung in Zellkulturprozessen zur Herstellung von Impfstoffen oder der Entwicklung neuer antiviraler Therapien eine enge Verknüpfung von state-of-the-art Messtechnik mit leistungsfähigen Modellen von großer Bedeutung. So kann basierend auf extrem sensitiven Methoden der Massenspektrometrie (Bruker TIMS-ToF pro) die Dynamik der intrazellulären Synthese viraler Proteine quantifiziert werden.Damit wird es möglich mathematische Modelle zur Influenza Virus Replikation in Suspensionszellen zu entwickeln, sie im Detail zu beschrieben und zu simulieren und für die Optimierung der Impfstoffproduktion zu nutzen.

     

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    Abbildung 1: Verlauf der zell-spezifischen Menge viraler Proteine (PB1 – polymerase basic protein 1, NP – nucleoprotein, HA - hemagglutinin) während einer Influenzavirus-Infektion. Die Punkte (+) kennzeichnen experimentelle Daten, welche mit einem Massenspektrometrie-Verfahren bestimmt wurden. Kurven repräsentieren Simulationsergebnisse eines mathematischen Modells, welches Influenzavirus-Infektionen beschreibt.

     

    In diesem Kontext ist auch die Charakterisierung der Vermehrung und Ausbreitung von sog. „defectiv interfering particles“ (DIPs) bei Co-Infektionen mit Influenza A Viren und anderen respiratorischen Viren zur Etablierung neuer antiviraler Verfahren von großem Interesse. Dies betrifft nicht nur die Herstellung von DIPssondern  auch die Aufklärung der Wirkmechanismen und Studien zur Vermehrung und Inhibition des Wildtyp Influenza Virus in Geweben, die im menschlichen Mund- und Nasenraum als erste Eintrittspforte von Pathogenen dienen.

     

    Im Bereich synthetische Biologie liegt der Fokus der Etablierung von zellfreien, enzymatischen Kaskaden zur Herstellung von Nukleotidzuckern und Oligosacchariden (Glykane). Letztere spielen eine wichtige biologische Rollte für zelluläre Funktionen, die für die menschliche Gesundheit von zentraler Bedeutung sind. Glykane können als Lebensmittelzusatzstoffe verwendet werden. Prominente Beispiele sind Oligosaccharide aus der menschlichen Milch für die Ernährung von Säuglingen. Daneben sind Glykane für die Herstellung rekombinanter Proteine, z.B. monoklonaler Antikörper als Medikamente, von großer Bedeutung. Bereits kleinste Veränderungen in der Zusammensetzung oder der Struktur können erhebliche Auswirkungen auf deren Wirksamkeit haben. Die hier entwickelten Verfahren werden im Rahmen der geplanten Ausgründung „eversyn" eine kostengünstige und skalierbare Produktion von Nukleotidzucker ermöglichen und der pharmazeutischen Industrie leistungsfähige Verfahren an die Hand geben, um wertvolle Oligosaccharide zu produzieren oder die Glykosylierung von therapeutischen Proteinen zu steuern.

     

    Nahezu alle Forschungsthemen werden in Kooperation mit lokalen und internationalen Partnern aus Wissenschaft und Industrie durchgeführt. Dies betrifft insbesondere die enge Zusammenarbeit mit der Abteilung Bioprozesstechnik des Max-Planck-Institut für Dynamik Komplexer Technischer Systeme in Magdeburg.

     

    In Rahmen der Lehre werden neben Grundlagenfächern im Bachelor Studiengang „Biosystemtechnik“ neben Mikrobiologie, Bioverfahrenstechnik  und Modellierung von Bioprozessen zahlreiche ergänzende und vertiefende Spezialvorlesungen für die Masterstudiengänge der Fakultät für Verfahrens-und Systemtechnik angeboten. Unter anderem: Cell Culture Engineering, OMICS-Technologien und Virology.

     

    Letzte Änderung: 24.01.2024 - Ansprechpartner: Webmaster